Juni 2025
Besonderheiten der KMU-Bewertung

Die Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) stellt Bewerter immer wieder vor besondere Herausforderungen. Neben der Verfügbarkeit und Qualität der benötigten Daten können auch die Besonderheiten der KMU-Geschäftsmodelle oder die Vereinbarkeit der KMU-Charakteristika mit den Annahmen allgemein anerkannter Bewertungskalküle hierzu gehören. Von Seiten des Bewerters gilt es, flexibel auf die individuellen Gegebenheiten des zu bewertenden Unternehmens zu reagieren und diese in die Bewertung einfließen zu lassen, ohne dabei anerkannte Bewertungsstandards zu umgehen. Mit diesem Beitrag möchten wir für die besonderen Herausforderungen der KMU-Bewertung sensibilisieren und erste Lösungsansätze vorstellen, wie die Bewertung trotz allem gelingen kann.
1. Definition eines KMU und Bewertungsanlässe
Zu der Gruppe der KMU zählen Unternehmen, die weniger als 250 Beschäftigte haben und einen Jahresumsatz von höchstens MEUR 50 oder eine Bilanzsumme von maximal MEUR 43 aufweisen. Ist ein Unternehmen Teil einer Unternehmensgruppe, so werden Mitarbeiterzahl, Jahresumsatz und Bilanzsumme der gesamten Gruppe berücksichtigt.
Der Bewertung eines KMU können verschiedene Anlässe zugrunde liegen. Zu den steuerlichen Anlässen gehören etwa Bewertungen im Zusammenhang mit Erbschafts- und Schenkungsteuer sowie der Wegzugsbesteuerung, die bei einem Umzug der Gesellschafter ins Ausland relevant wird. Familienrechtliche Anlässe erfordern beispielsweise Bewertungen zur Ermittlung von Zugewinnausgleichsansprüchen im Rahmen einer Scheidung. Im Kontext unternehmerischer Initiativen wie Unternehmenskäufen oder -verkäufen, der Aufnahme neuer Gesellschafter oder der Unternehmensnachfolge dient die Bewertung als Grundlage für die Bestimmung des Kaufpreises. Je nach Anlass und Zweck der Bewertung können dem Bewerter dabei verschiedene Funktionen zukommen. Im Regelfall wird der Bewerter als neutraler Gutachter oder als Berater einer bestimmten Partei tätig.
2. Besondere Herausforderungen bei der Bewertung von KMU
a) Datengrundlage
Unternehmensbewertungen setzen auf intern und extern verfügbaren Daten und Informationen des zu bewertenden Unternehmens auf. Die Güte der Daten spielt dabei eine entscheidende Rolle für die Aussagekraft und damit auch die Qualität der Bewertung.
Zu KMU sind tendenziell weniger Daten öffentlich verfügbar als beispielsweise zu großen oder gar börsennotierten Unternehmen. Ein Grund hierfür sind etwa abweichende Berichterstattungspflichten. Der Bewerter ist daher bei der Datensammlung in größerem Umfang auf die intern vom Unternehmen bereitgestellten Informationen angewiesen. Die (interne) Datenlage und -qualität kann dabei insbesondere bei KMU stark variieren. Jahresabschlüsse sind nicht immer geprüft, interne Auswertungssysteme wie Buchführung, Management- und Controlling-Systeme existieren oft nur in vereinfachter Form und Planungen werden nicht selten nur in Form von Grobplanungen erstellt. Der Bewerter ist dementsprechend besonders gefordert, die notwendigen Informationen aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen in Kombination mit Managementgesprächen und Interviews herauszufiltern und sich so eine geeignete Basis für die Bewertung zu schaffen.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei KMU ist die Organisationsstruktur der Unternehmen: Oftmals besteht das Bewertungsobjekt aus zwei oder mehr Unternehmen, die jedoch nicht als Konzern organisiert sind und dementsprechend keine konsolidierten Jahresabschlüsse aufstellen. Innerbetriebliche Leistungen zwischen diesen Gesellschaften sind daher in Vorbereitung auf die Bewertung manuell zu eliminieren und ein entsprechender (mindestens gedanklicher) Pro-Forma-Abschluss durch den Bewerter aufzustellen.
b) Geschäftsmodell
KMU sind oftmals in einem einzigen Markt tätig und konzentrieren sich dabei auf einige wenige Produkte und/ oder Dienstleistungen. Sie sind damit hinsichtlich ihres Produktportfolios regelmäßig nicht besonders breit aufgestellt, sondern bedienen den einen, für sie relevanten Markt. Einhergehend mit der Fokussierung auf ein oder wenige Produkt(e) sind die Geschäftsmodelle von KMU häufig als einzigartig und „endlich“ zu betrachten, da aufgrund der hohen Spezialisierung und Konzentration auf einzelne wertbestimmende Faktoren nicht von einem unendlichen Fortbestehen auszugehen ist.
Zudem besteht nicht selten eine hohe Personenabhängigkeit vom Gesellschafter. Viele KMU sind inhabergeführt, oft noch immer in der Hand ihres Gründers und leben von dem Know-How, der Erfahrung und den persönlichen Beziehungen ihres Gesellschaftergeschäftsführers. Letzterer hat in dem Fall eine besondere Bedeutung für das operative Geschäft des Unternehmens und dessen Wert. Mit Blick auf den Gesellschafter spielt zudem auch die Abgrenzung der betrieblichen von der privaten Gesellschaftersphäre eine wichtige Rolle. Insbesondere bei KMU sind die Grenzen hier oft fließend. So werden zum Beispiel private Sicherheiten für Firmenkredite gestellt oder Betriebsgebäude liegen im Privatvermögen des Gesellschafters. Im Zuge einer Unternehmensbewertung müssen diese Sphären in aller Regel gedanklich getrennt und der marktübliche Wert der Leistungen des Gesellschafters für die Gesellschaft berücksichtigt werden.
c) Bewertungskalkül
Zu den viel genutzten und anerkannten Bewertungsverfahren zählen die kapitalwertorientierten Verfahren. Dabei wird der Wert eines Unternehmens über den Barwert der erwarteten Zahlungsströme ermittelt. Hintergedanke dieser Bewertung ist ein Vergleich der Kapitalanlage im Unternehmen mit einer Alternativanlage am Kapitalmarkt. Der Wert der Zahlungsströme hängt dabei ab von dem mit ihnen verbundenen Risiko, das sich wiederum aus der vergleichbaren Alternativanlage am Kapitalmarkt ergibt.
Bei KMU ist die Vergleichbarkeit mit einer Geldanlage am Kapitalmarkt eingeschränkt. Vor allem die meist fehlende Diversifikation der Anteilseigner steht einer Vergleichbarkeit mit einer Kapitalmarktanlage entgegen. Gerade die Eigentümer von KMU haben oftmals den Großteil ihres Vermögens im Unternehmen investiert und entsprechen damit nicht dem „typisierten Anteilseigner“ im Sinne des Bewertungskalküls.
Bei einer Bewertung im Zuge eines Anteilskaufs fallen weitere Unterschiede zu Kapitalmarktanlagen ins Gewicht. So stehen bei KMU-Verkäufen in aller Regel Mehrheitsanteile zum Verkauf, die Marktgängigkeit der Anteile ist geringer als bei Kapitalmarktanlagen und der Käuferkreis ist ein anderer, deutlich kleinerer als auf dem Aktienmarkt. Zudem werden bei Investitionen in KMU häufig längere Haltedauern in Bezug auf die Anteile unterstellt als etwa im Rahmen eines Aktienkaufs.
KMU unterscheiden sich somit in mehrfacher Hinsicht von der im Bewertungskalkül unterstellten, Alternativanlage. Es ist daher zu prüfen, inwieweit die Annahmen des Bewertungskalküls Berücksichtigung finden können und müssen und inwieweit gegebenenfalls Anpassungen aufgrund der besonderen Gegebenheiten bei KMU vorzunehmen sind.
3. Lösungsansätze der KMU-Bewertung
Die Flexibilität bzw. Freiheit des Bewerters, von bestimmten anerkannten Bewertungskalkülen abzuweichen oder diese anzupassen, hängt maßgeblich von dem Bewertungszweck und der Funktion ab, in der der Bewerter tätig wird. Insbesondere bei der Bestimmung objektivierter Unternehmenswerte etwa für steuerliche oder gesellschaftsrechtliche Zwecke besteht deutlich weniger Spielraum als bei der Ermittlung subjektiver Werte, die der Bewerter in einer Beraterfunktion etwa für einen potenziellen Käufer oder Verkäufer ermittelt. Dies vorweggeschickt, seien hier mögliche Anknüpfungspunkte für KMU-spezifische Bewertungen nur grob skizziert. Nicht alle Lösungsansätze eignen sich gleichermaßen für jeden Bewertungszweck.
Ein mittlerweile bewährtes und auch vom IDW in einem gesonderten Praxishinweis dokumentiertes Konzept ist das Konzept der übertragbaren Ertragskraft. Hierbei wird den KMU-spezifischen Besonderheiten vor allem mit Blick auf die Abhängigkeit vom (Alt-)Gesellschafter sowie auf die Endlichkeit bzw. hohe Spezialisierung der Geschäftsmodelle Rechnung getragen. Grundgedanke dieses Konzepts ist, dass ein Teil der Ertragskraft eines KMU nicht oder nicht dauerhaft auf einen beliebigen Käufer übertragbar ist, etwa weil sie in starker Verbindung zur Person des Alt-Gesellschafters steht. Dieser Teil der Ertragskraft ist folglich gesondert zu bewerten. Potenzielle personenabhängige Einflüsse eines speziellen Kaufinteressenten auf die künftige Ertragskraft können im Gegenzug Eingang in die Bewertung finden, sofern der Bewerter nicht in der Funktion eines neutralen Gutachters, sondern etwa als Berater für Käufer- oder Verkäuferseite tätig wird und in diesem Zusammenhang einen subjektiven Entscheidungswert ermittelt, wie es gerade im Zusammenhang mit Transaktionen oft der Fall ist.
Die mangelnde Vergleichbarkeit mit der Alternativanlage am Kapitalmarkt kann je nach Bewertungszweck etwa über Anpassungen der erwarteten Zahlungsströme oder Risikozuschläge für die fehlende Diversifikation der Anteilseigner ausgeglichen werden. Die fehlende Marktgängigkeit der Anteile sowie die Besonderheit, dass bei der KMU-Bewertung in aller Regel Mehrheitsanteile bewertet werden, können über entsprechende Zu- oder Abschläge vom Unternehmenswert Berücksichtigung finden.
4. Fazit
Die Bewertung von KMU ist mit vielfältigen Herausforderungen verbunden, die sich aus den speziellen Charakteristika dieser Unternehmen insbesondere auch im Vergleich zu kapitalmarktorientierten Unternehmen ergeben. Die Bewertungspraxis sieht hierfür grundsätzlich zahlreiche Lösungsansätze, die eine KMU-Bewertung erleichtern und zu sachgerechteren Ergebnissen führen sollen. Nicht immer stehen diese Praxisansätze jedoch im Einklang mit der Bewertungstheorie und den Vorgaben der Bewertungsstandards. Es ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit im vorliegenden Fall eine Anpassung des Bewertungskalküls möglich und mit den Standards vereinbar ist.
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