Mai 2024
Die Haftung des Geschäftsführers und die „business judgement rule“

Der Geschäftsführer der GmbH ist ein „Sachwalter fremden Vermögens“. Das heißt, er nimmt die Vermögensinteressen der GmbH wahr. Der Geschäftsführer hat eine Vielzahl von Pflichten, die er zu beachten hat. Verletzt er seine Pflichten schuldhaft und entsteht der GmbH daraus ein Schaden, muss er der GmbH gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG den entstandenen Schaden ersetzen. Bei sog. „unternehmerischen“ Entscheidungen muss der Geschäftsführer die „business judgement rule“ beachten. Worum geht es dabei?
1.„Gebundene“ Entscheidungen und „unternehmerische“ Entscheidungen
Die Pflichten des Geschäftsführers können sich aus dem Gesetz, der Satzung oder z.B. aufgrund von Weisungen der Gesellschafterversammlung ergeben. Man spricht von „gebundenen“ Entscheidungen, wenn dem Geschäftsführer ein bestimmtes Verhalten zwingend vorgegeben ist, ohne dass dem Geschäftsführer ein eigener Entscheidungsspielraum eingeräumt ist. Beispiel: Wenn die Geschäftsordnung dem Geschäftsführer vorgibt, dass er Aufträge mit einem Volumen von mehr als EUR 1 Mio. nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung annehmen darf, dann muss er sich hieran halten. Er ist in seiner Entscheidung also „gebunden“.
Demgegenüber gibt es die sog. „unternehmerischen“ Entscheidungen, bei welchen dem Geschäftsführer nicht durch Gesetz, Satzung oder Weisung ein bestimmtes Verhalten zwingend vorgegeben ist. Beispiel: Wenn die Geschäftsordnung dem Geschäftsführer vorgibt, dass er Aufträge mit einem Volumen von über EUR 1 Mio. nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung eingehen darf, dann heißt dies im Umkehrschluss, dass er Aufträge unter EUR 1 Mio. – im Grundsatz – ohne eine vorherige Befragung der Gesellschafterversammlung annehmen darf.
Bei solchen unternehmerischen Entscheidungen hat der Geschäftsführer also einen eigenen Entscheidungsspielraum, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit nicht denkbar ist. Jede unternehmerische Tätigkeit ist mit geschäftlichen Risiken verbunden. Auch eine sorgfältig vorbereitete unternehmerische Entscheidung kann sich im Nachhinein als Fehler herausstellen („Hinterher ist man immer schlauer“). Wenn die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer im Nachhinein vorwirft, dass seine unternehmerische Entscheidung zu einem Schaden für die GmbH geführt habe, kann dem Geschäftsführer die „business judgement rule“ helfen.
2. Die „business judgement rule“
Gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG muss der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der GmbH die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ anwenden. Dieser allgemeine Sorgfaltsmaßstab wird durch die „business judgement rule“ konkretisiert.
Die „business judgement rule“ besagt, dass der Geschäftsführer seine unternehmerischen Entscheidungen stets am Wohl der Gesellschaft auszurichten hat.
Außerdem muss der Geschäftsführer seine unternehmerischen Entscheidungen sorgfältig vorbereiten. Er muss seine Entscheidung auf Grundlage angemessener Information treffen und die verfügbaren Informationsquellen ausschöpfen, um Chancen und Risiken einer bestimmten Entscheidung abschätzen zu können. Wie intensiv und aufwendig der Geschäftsführer seine Entscheidung vorbereiten muss, hängt vom Einzelfall ab. Je wichtiger oder riskanter eine unternehmerische Entscheidung ist, desto sorgfältiger muss sie vorbereitet werden.
Wenn der Geschäftsführer nach sorgfältiger Vorbereitung seiner unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, dass seine Entscheidung dem Wohle der Gesellschaft dient, hat er die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ eingehalten. Falls sich seine unternehmerische Entscheidung im Nachhinein – wider Erwarten – als schädlich für die GmbH herausstellen sollte, braucht der Geschäftsführer gleichwohl keine persönliche Haftung zu befürchten.
Praxistipp: Wenn sich der Geschäftsführer bei einer unternehmerischen Enscheidung trotz sorgfältiger Abwägung aller Chancen und Risiken immer noch unsicher ist, kann er die Angelegenheit auch der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung vorlegen, damit diese die Entscheidung für ihn trifft. Wenn die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer eine Weisung erteilt, wie er sich in der Angelegenheit zu verhalten hat, ist der Geschäftsführer entsprechend „gebunden“. Eine „Enthaftung“ des Geschäftsführers setzt dabei voraus, dass der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung mit ausreichenden Informationen versorgt hat, damit diese eine sinnvolle Entscheidung treffen kann.
3. Dokumentation der Entscheidungsfindung
Falls sich eine unternehmerische Entscheidung im Nachhinein als Fehler herausstellen sollte und die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer für einen entstandenen Schaden persönlich haftbar machen möchte, muss der Geschäftsführer nachweisen, dass er die Anforderungen der „business judgement rule“ beachtet hat. Dies wird dem Geschäftsführer ggf. nur gelingen, wenn er seine Entscheidungsfindung ausreichend dokumentiert hat. Dem Geschäftsführer ist daher zu empfehlen, dass er – je nachdem, wie bedeutsam die Entscheidung war – eingeholte Informationen, Kalkulationen etc. in den Unterlagen der Gesellschaft speichert oder z.B. auch einen Vermerk über seinen Entscheidungsprozess anfertigt.
Diese Übersicht bietet eine erste Orientierung, ersetzt jedoch keine individuelle rechtliche Beratung.
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Autor dieses Beitrags:

Jens Mediger
Rechtsanwalt in Anstellung
Fachanwalt für Handels-
und Gesellschaftsrecht
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