Juni 2025
Erbfolge bei gleichzeitigem Versterben?

(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. September 2024 – 14 W 95/23)
Das OLG Karlsruhe hatte darüber zu entscheiden wie die Erbfolge aussieht, wenn ein Ehepaar in demselben Zeitraum verstirbt, aber nicht festgestellt werden kann, welcher der beiden Ehegatten zuerst verstarb.
1. Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall haben sich kinderlose Ehegatten mit einem notariellen, gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Weitere Regelungen bezüglich eines Ersatzerben oder der Erbfolge nach dem Längerlebenden wurden nicht getroffen.
Die Ehegatten wurden schließlich an unterschiedlichen Orten, aber am selben Tag, tot aufgefunden. Daraufhin beantragten die Verwandten des verstorbenen Ehemannes bei dem zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein, wonach der verstorbene Ehemann gemäß der gesetzlichen Erbfolge von seinen Verwandten beerbt wurde. Da nicht feststehe, welcher Ehegatte zuerst verstorben sei und auch sonst keine Regelungen diesbezüglich im Testament getroffen wurden, greife die gesetzliche Erbfolge ein. Der Bruder der verstorbenen Ehefrau trat diesem Antrag jedoch entgegen.
Ein eingeholtes Gutachten zum Todeszeitpunkt ließ jedoch keine verlässliche Feststellung darüber zu, welcher der beiden Ehegatte zuerst verstorben ist.
Deshalb stellt sich die Frage: Wer ist Erbe geworden?
2. Die Problematik im vorliegenden Fall
Vorliegend wäre die Feststellung des Todeszeitpunktes von besonders hoher Relevanz gewesen, da die Erbfolge dadurch signifikant beeinflusst worden wäre. Nach dem Testament beerbt der längerlebende Ehegatten nämlich den zuerst verstorbenen Ehegatten. Da für den Erbfall des Längerlebenden aber keine testamentarische Regelung getroffen wurde, erben die Verwandten des Längerlebenden im Rahmen der gesetzlichen Erfolge den Nachlass. Wäre zum Beispiel der Ehemann nach der Ehefrau verstorben, hätte dieser sie zunächst beerbt und anschließend hätten die Verwandten des Ehemannes den gesamten Nachlass beider Ehegatten erhalten. Vorliegend war es aber gerade nicht möglich festzustellen wer zuerst verstorben ist, sodass mangels einer Regelung im Testament durch das Gericht entschieden werden musste, wer nunmehr Erbe geworden ist.
3. Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht entschied zugunsten des Antrags der Verwandten des Ehemannes, die einen Antrag auf Eintritt der gesetzlichen Erbfolge gestellt hatten.
Wenn in solchen Konstellationen nämlich nicht mit notwendiger Sicherheit festgestellt werden kann, welcher Ehegatte den anderen überlebt hat, greift grundsätzlich die gesetzliche Vermutung des § 11 Verschollenheitsgesetz (VerschG). Danach gilt:
“Kann nicht bewiesen werden, dass von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen der eine den anderen überlebt hat, so wird vermutet, dass sie gleichzeitig gestorben sind.”
Nach dieser Vermutungsregel sind beide Ehegatten gleichzeitig verstorben. Dies hat zur Folge, dass keiner von beiden den anderen beerbt hat, da gemäß § 1923 Absatz 1 BGB nur derjenige Erbe werden kann, der zur Zeit des Erbfalls lebt.
Das Gericht stellte deshalb in seinem Beschluss fest, dass “der Erblasser nicht von seiner Ehefrau beerbt worden ist, da beide gemäß der Vermutung des § 11 VerschG gleichzeitig verstorben sind.”
Da somit keiner der Ehegatten noch lebte, um den anderen Ehegatten zu beerben und in dem Testament keine Ersatzerben eingesetzt waren, trat die gesetzliche Erbfolge für jeden Ehegatten separat ein. Die Verwandten des Ehemannes beerbten somit den Ehemann und die Verwandten der Ehefrau beerbten die Ehefrau.
4. Möglicher Lösungsvorschlag, um diese Problematik zu vermeiden
Dieses Ergebnis erscheint in der Theorie richtig und fair. Jedoch ergeben sich dadurch in der Praxis erhebliche Probleme bei der Auseinandersetzung des Nachlasses zwischen den Erben des Ehemannes und den Erben der Ehefrau. Denn das Ehepaar führte schließlich einen gemeinsamen Haushalt. in solchen Konstellationen festzustellen, welche Wertgegenstände wem gehörten, bringt erhebliche Probleme mit sich.
Deshalb sollten Ehegatten solche Fälle in ihrem Testament entsprechend regeln.
Dabei muss aber einiges beachtet werden, damit die testamentarische Regelung auch tatsächlich den gewünschten Effekt hat. Zum Beispiel ist die Formulierung “gleichzeitiges Versterben” nicht immer ganz eindeutig. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Erblasser damit den unwahrscheinlichen Fall meinten, dass sie beide zeitgleich versterben, oder ob damit auch Fälle gemeint sind, bei denen eine kurze Zeitspanne zwischen den Erbfällen besteht.
Aus diesem Grund ist eine rechtliche Beratung unerlässlich, um die Verfügungen so zu formulieren, dass der wirkliche Wille der Erblasser auch nach ihrem Tod festgestellt werden kann.
Download
Beachten Sie dazu auch gerne unsere weiteren Beiträge auf der Renneberg Unternehmensseite bei LinkedIn – Sie sind herzlich eingeladen, Follower zu werden!
Autorin dieses Beitrags:

Jessica Beberok
Rechtsanwältin
Für weitere Informationen können Sie mich gerne auch direkt kontaktieren!
beberok@renneberg-gruppe.de
040 3006188-440