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Oktober 2023

Erfüllung der Aufklärungspflicht des Verkäufers durch Offenlegung im Datenraum

Renneberg Themenhinweis

Sebastian Kölln

Author

Sebastian Kölln
Partner
Rechtsanwalt
Fach­anwalt für Insol­venz-
und Sanie­rungs­recht

Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt hierdurch seine Aufklärungspflicht, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird. 

Bisher ist es in der Literatur umstritten, ob das Einrichten eines Datenraums mit allen Informationen die Aufklärungspflicht eines Unternehmensverkäufers erfüllen kann. Die wohl herrschende Meinung geht davon aus, dass ein für eine Due Diligence zur Verfügung gestellter Datenraum nicht generell, aber im Einzelfall den Umfang der Aufklärungspflichten reduzieren könne. (vgl. etwa Meyer-Sparenberg in MeyerSparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, 2. Aufl., § 47 Rn. 88 ff.; Golland/Koch in Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, 2. Aufl., § 17 Rn. 28 f.; Weber in Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 10. Aufl., Rn. 9.388; Henssler in Festschrift Hopt, 2010, Band 1, S. 113, 135 f.; Knöfler, Rechtliche Auswirkungen der Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, 2001, S. 142 f.; BeckOGK/Herresthal, BGB [15.5.2023], § 311 Rn. 427; Westermann, ZHR 169 [2005], 248, 258, 261 ff.; Hassel, Der Einfluss der Due Diligence auf die Verkäuferhaftung beim Unternehmens- und Beteiligungskauf, 2009, S. 141 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. November 2001 – VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042, 1044). 

Nach einer anderen Ansicht soll das Ganze keinerlei Auswirkungen auf die Aufklärungspflichten haben. (vgl. etwa Fietz in Bergau, Praxishandbuch Unternehmenskauf, 2. Aufl., Kapitel 5 Rn. 53; Andreas/Beisel in Beisel/Andreas, Beck’sches Mandats Handbuch Due Diligence, 3. Aufl., § 2 Rn. 66 f.; Picot in Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, 4. Aufl., § 2 Rn. 148 ff.; Eggenberger, Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen und Folgen einer due-diligence Prüfung, 2001, S. 275 ff.; Müller, NJW 2004, 2196, 2198 f.; Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 164)

Im September 2023 hat nun der Bundesgerichtshof im Falle eines Immobilienkaufs entschieden, dass das Zurverfügungstellen von Informationen in einem Datenraum ausreichen kann, um die Aufklärungspflicht des Verkäufers zu erfüllen. Dies ist jedoch nur insoweit möglich, wie der Verkäufer die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird (BGH, Urteil vom 15.09.2023 – V ZR 77/22).

Die von dem BGH entwickelten Anforderungen können möglicherweise auch auf den Bereich der Unternehmenskäufe übertragen werden und sind deswegen von hoher praktischer Relevanz.

Ob eine berechtigte Erwartung des Verkäufers, dass der Käufer Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangt bestehen kann, macht der BGH stehts am Einzelfall und an verschiedenen Bedingungen fest:

Zum einen kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang der Käufer eine Due Diligence durchführt und ob der Verkäufer davon wusste. Dabei ist außerdem auf die Geschäftsgewandtheit des Käufers und eine mögliche Heranziehung von fachlichen Experten abzustellen. Liegt beides vor, ist es ein Indiz dafür, dass der Verkäufer seiner Aufklärungspflicht gerecht geworden ist.

Weiter ist darauf zu achten, wie der Datenraum organisiert und strukturiert und welche Vereinbarungen dazu getroffen wurden. Gibt es z.B. ein Inhaltsverzeichnis oder eine Suchfunktion in dem Datenraum und sind alle Daten nach Themenbereichen sortiert, spricht dies auch für die Erfüllung der Aufklärungspflicht des Verkäufers.

Zuletzt kommt es auf die Art der Information, um deren Offenbarung es geht, und die Unterlage, in der sie enthalten ist, an. Handelt es sich um eine Information, bei der der Verkäufer weiß, dass sie enorme Wichtigkeit für den Käufer hat und die Transaktion damit stehen und fallen kann, ist dem Verkäufer eher zuzumuten gesondert auf die Information hinzuweisen. Genauso ist es auch, wenn die Information in einem Ordner ist, aus dem sich nicht die Wichtigkeit ergibt oder wenn die Information nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Insgesamt ist festzustellen, dass der BGH eine recht hohe Hürde dafür stellt, den Aufklärungspflichten des Verkäufers nur mit dem Einrichten eine Datenraums gerecht zu werden. Beachtet man jedoch auf der Verkäuferseite alle Bedenken des BGH, kann es ausreichen einen vollumfassenden Datenraum zur Verfügung zu stellen. Daher ist Käufern zu raten, eine Due Diligence fachmännisch begleiten zu lassen, um zur Verfügung gestellte Informationen bewerten zu können und Risiken zu vermeiden.

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