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September 2024

Individuelle Rücklagekonten als flexibles Instrument der Gesellschafterfinanzierung bei Kapitalgesellschaften

Die Interessenlage zwischen Gesellschaftern hinsichtlich der Finanzierung durch Eigenkapital und der Ausschüttung von Ergebnissen können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. So kann z.B. die Bereitschaft einiger Gesellschafter darin bestehen, der Gesellschaft Liquidität für geplante Investitionen oder zur Überwindung einer Krise durch Eigenkapital zuzuführen, während andere Gesellschafter wiederum nicht über die finanziellen Mittel verfügen oder nicht bereit sind, entsprechende Einlagen zu leisten. Ebenso können unterschiedliche Ausschüttungspräferenzen bestehen, indem einer Innenfinanzierung durch Thesaurierung der Wunsch nach Ausschüttungen gegenübersteht.

Während es im Bereich der Personengesellschaften bereits gang und gäbe ist, disquotale Einlagen und Gewinnverwendungen auf individuellen Kapitalrücklagekonten zu erfassen, bestand aufgrund schenkungssteuerlicher Risiken im Bereich der Kapitalgesellschaften in der Vergangenheit eine gewisse Zurückhaltung. Durch die jüngere Rechtsprechung des BFH sowie Verlautbarungen der Finanzverwaltung konnten derartige Risiken inzwischen entkräftet werden, so dass disquotale Einlagen und Gewinnverwendungen auch im Bereich der Kapitalgesellschaften zu einer Flexibilisierung der Gesellschafterfinanzierung geführt haben.      

1. Steuerliche und rechtliche Voraussetzungen

Die steuerliche Anerkennung disquotaler Gewinnverwendungen und Ausschüttungen setzt nach der letzten Verlautbarung der Finanzverwaltung vom 04.09.2024 insbesondere voraus, dass die jeweiligen Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam abgeschlossen wurden und dass die Leistungen gesellschafterindividuell zugeordnet werden können. Hierfür ist es erforderlich, dass sogenannte gesellschafterindividuelle Kapitalrücklagenkonten geführt werden, auf denen die individuellen Einlagen oder die Gewinne der nicht an der Ausschüttung teilnehmenden Gesellschafter erfasst werden. Aus den gesellschafterbezogenen  Rücklagekonten können die zugeführten oder stehengelassenen Mittel an die betreffenden Gesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt individuell ausgekehrt werden.

Neben der gesonderten Erfassung innerhalb des Rechnungswesens ist es für die Anerkennung der disquotalen Einlagen und Ausschüttungen zudem erforderlich, dass der rechtliche Rahmen entsprechend geschaffen wurde. Dieses setzt insbesondere voraus, dass der Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen zur disquotalen Gewinnverwendung und Behandlung disquotaler Einlagen vorsieht. Zur Umsetzung entsprechender Regelungen ist daher häufig zunächst eine Anpassung des Gesellschaftsvertrags erforderlich. Da der Gesellschaftsvertrag einer GmbH im Handelsregister veröffentlicht wird und somit der Allgemeinheit zugänglich ist, können solche individuellen Regelungen auch in einer notariell zu beurkundenden Gesellschaftervereinbarung ausgelagert werden.   

2. Anwendungsfälle

Sind die Voraussetzungen geschaffen, so bietet das Instrument der disquotalen Gewinnverwendung und Einlagen bei der Gestaltung von Rechtsbeziehungen und wirtschaftlichen Interessenlagen eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten:

  • Gründung von Unternehmen: Für den Fall, dass im Gründungzeitpunkt finanzstarke Investoren einen höheren Finanzierungsbeitrag durch Eigenkapital im Vergleich zu ihren Co-Gründer leisten, jedoch die Gesellschafterrechte im Übrigen gleichverteilt sein sollen, so können höhere Finanzierungsbeiträge auf individuellen Rücklagekonten erfasst und zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. beim Exit) vorrangig ausgekehrt werden. Gleichzeitig können sich die Co-Gründer liquiditätsschonend zum Nominalwert beteiligen, ohne ihren beteiligungsproportionalen Gewinnanspruch in der Zukunft einschränken zu müssen.

  • Beteiligung von Mitarbeitern: Sofern sich Mitarbeiter an zukünftigen Unternehmens-wertsteigerungen beteiligen möchten, ohne den aktuellen Unternehmenswert an die bestehenden Gesellschafter vergüten zu müssen, so besteht über individuell geführte Kapitalrücklagekonten die Möglichkeit den bisherigen Unternehmenswert den Altgesellschaftern zuzuweisen. Mitarbeiter könnten sich zum Nominalbetrag an der Gesellschaft beteiligen und würden an Unternehmenswertsteigerungen partizipieren.

  • Unternehmensnachfolge: Werden Anteile der Gesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übertragen, so stehen sich häufig in eigentümergeführten Unternehmen die bisherige Finanzierungsphilosophie durch Thesaurierung von Gewinnen und der Wunsch nach Ausschüttung zur Finanzierung des Anteilserwerbs der Neu-Gesellschafter gegenüber. Durch die disquotale Gewinnverwendung kann diesen unterschiedlichen Interessen Rechnung getragen werden, indem Gewinnanteile der Alt-Gesellschafter auf individuellen Rücklagekonten thesauriert werden und an die Neugesellschafter eine disquotale Ausschüttung von Gewinnen erfolgt.

  • Verlustnutzung auf Gesellschafterebene: Sofern auf Gesellschafterebene Verlustabzugs-potenziale aus anderen Einkunftsarten bestehen, so kann es sich aus Sicht einzelner Gesellschafter als steuerlich vorteilhaft erweisen, gezielte gesellschafterindividuelle Ausschüttungen vorzunehmen, um ihre persönliche Besteuerung zu optimieren.

3. Fazit

Die exemplarische Aufzählung von möglichen Anwendungsfällen der disquotalen Gewinnverwendung und Einlagen zeigt die Vielseitigkeit dieses Gestaltungsmittels. Sind die steuerlichen und rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, bietet es die Möglichkeit, den unterschiedlichen Interessen der Gesellschafter individuell Rechnung zu tragen.

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Autor dieses Beitrags:

Eike Andresen
Partner
Wirtschaftsprüfer
Steuerberater

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