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Juni 2025

Nachhaltige Sanierung durch einen Insolvenzplan – Strukturierter Neustart mit rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Perspektive

Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, stehen Geschäftsleitung und Gesellschafter häufig unter erheblichem Handlungsdruck. Die Frage, wie die wirtschaftliche Stabilität wiederhergestellt und zugleich die Substanz des Unternehmens gesichert werden kann, ist von existenzieller Bedeutung.

Das Insolvenzplanverfahren eröffnet in dieser Situation einen rechtlich geregelten Weg zur nachhaltigen Sanierung, der – anders als das klassische Insolvenzverfahren mit seiner oft zerschlagenden Wirkung – auf den Erhalt und die strategische Neuausrichtung des Unternehmens abzielt.

In der Praxis zeigt sich, dass der Insolvenzplan ein hochflexibles Instrument darstellt, das rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mit betriebswirtschaftlicher Vernunft verbindet. Eine Sanierung auf dieser Grundlage ermöglicht nicht nur die Entschuldung und Liquiditätsstärkung, sondern auch die strukturelle Erneuerung des Geschäftsmodells und die Wiederherstellung von Vertrauen bei Gläubigern, Mitarbeitern, Kunden und Investoren.

1. Der Insolvenzplan als Sanierungsinstrument – rechtlicher Rahmen und strategische Zielsetzung

Der Insolvenzplan ist in den §§ 217 ff. der Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Seine primäre Funktion liegt darin, ein Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gezielt zu entschulden und betriebswirtschaftlich zu restrukturieren, ohne den Betrieb aufzugeben oder das Unternehmen zerschlagen zu müssen.

Im Gegensatz zum Regelverfahren, das regelmäßig auf eine Verwertung des Vermögens und eine gleichmäßige Verteilung an die Gläubiger hinausläuft, verfolgt der Insolvenzplan einen zukunftsorientierten Ansatz: Die Beteiligten erhalten die Möglichkeit, individuelle, auf die konkrete Krisensituation zugeschnittene Lösungen zu entwickeln. Dabei treten die gesetzlichen Vorschriften zur Abwicklung eines Insolvenzverfahrens zurück – der vom Schuldner vorgelegte Insolvenzplan tritt an ihre Stelle, sofern er von den Gläubigern angenommen und vom Gericht bestätigt wird.

Der Insolvenzplan besteht aus einem darstellenden Teil – in welchem die wirtschaftliche Ausgangslage und die geplanten Maßnahmen umfassend erläutert werden – sowie einem gestaltenden Teil, der die beabsichtigten Rechtsänderungen, insbesondere im Hinblick auf die Forderungen der Gläubiger, enthält.

2. Vorteile eines Insolvenzplans – mehr als nur ein juristisches Sanierungswerkzeug

Ein sorgfältig entwickelter Insolvenzplan bietet eine Vielzahl von Vorteilen, die sowohl aus rechtlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht von erheblicher Bedeutung sind.

Unternehmensfortführung als Leitprinzip

Im Mittelpunkt steht die Möglichkeit der Unternehmensfortführung. Anstelle einer sofortigen Abwicklung bleibt der Geschäftsbetrieb erhalten, die Arbeitsplätze können gesichert werden und es entsteht die Grundlage für eine tragfähige unternehmerische Zukunft. Dies ist insbesondere in Fällen relevant, in denen ein funktionierendes Geschäftsmodell durch vorübergehende finanzielle Schwierigkeiten aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Rechtssicherer Schuldenschnitt

Im Rahmen des Insolvenzplans ist es möglich, durch eine einvernehmliche Regelung mit den Gläubigern bestehende Verbindlichkeiten zu reduzieren oder umzustrukturieren. Ein sogenannter „Haircut“ führt nicht nur zu einer bilanziellen Entlastung, sondernkann auch die notwendige Liquidität schaffen, um Investitionen zu tätigen, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und den Turnaround zu ermöglichen.

Planbare wirtschaftliche Perspektive

Der Insolvenzplan schafft für alle Beteiligten – insbesondere Gläubiger, Geschäftspartner und Investoren – ein hohes Maß an Transparenz und Berechenbarkeit. Während die klassische Insolvenzverwaltung häufig auf kurzfristige Verwertung ausgerichtet ist, ermöglicht der Insolvenzplan eine strategische Planung über den Zeitraum der eigentlichen Krise hinaus.

Zustimmung der Gläubiger – demokratische Legitimation

Die Umsetzung des Plans setzt eine Zustimmung der beteiligten Gläubiger voraus. Diese werden in Gruppen eingeteilt (z. B. gesicherte, ungesicherte oder nachrangige Gläubiger). Innerhalb jeder Gruppe ist eine einfache Mehrheit sowohl nach Kopfzahl als auch nach Summenmehrheit erforderlich. Wird diese erreicht, entfaltet der Plan – nach gerichtlicher Bestätigung – Bindungswirkung auch gegenüber den ablehnenden Gläubigern.

3. Wirtschaftliche Effekte und strategische Chancen des Insolvenzplans

Neben den rechtlichen Wirkungen bietet der Insolvenzplan erhebliche betriebswirtschaftliche Potenziale, die in einer klassischen Insolvenz nicht realisiert werden können.

Strategische Neuausrichtung des Geschäftsmodells

Ein Insolvenzplan zwingt das Unternehmen dazu, seine Strukturen, Prozesse und Märkte kritisch zu hinterfragen. Dieser Zwang zur Selbstreflexion eröffnet zugleich Chancen: Ineffiziente Geschäftsbereiche können eingestellt, Ressourcen neu allokiert und das Geschäftsmodell auf die veränderten Marktbedingungen angepasst werden.

Ein erfolgreich umgesetzter Insolvenzplan geht daher über die bloße Entschuldung hinaus – er ist Motor einer unternehmerischen Erneuerung.

Restrukturierung der Kostenstruktur

In der Praxis zeigt sich, dass wirtschaftliche Schieflagen häufig mit strukturellen Fehlentwicklungen einhergehen. Der Insolvenzplan bietet die Gelegenheit, solche Strukturen nachhaltig zu verändern – sei es durch die Anpassung von Liefer- und Mietverträgen, durch Verhandlungen mit Personalvertretungen über sozialverträgliche Maßnahmen oder durch Outsourcing nicht betriebsnotwendiger Funktionen.

Wiederherstellung von Liquidität und Finanzierungskraft

Ein wesentlicher betriebswirtschaftlicher Vorteil liegt in der Möglichkeit, durch Forderungsverzichte, Zahlungsaufschübe oder Rangrücktritte Liquidität kurzfristig zu sichern. Dadurch kann der operative Geschäftsbetrieb nicht nur aufrechterhalten, sondern aktiv weiterentwickelt werden. Gleichzeitig verbessern sich Kennzahlen wie das Eigenkapital oder der Verschuldungsgrad – was wiederum die Aufnahme neuer Finanzierungsmittel erleichtert.

Verbesserung des Markt- und Investorenvertrauens

Ein klar strukturierter Insolvenzplan signalisiert dem Markt, dass das Unternehmen nicht nur krisenresistent, sondern auch handlungsfähig ist. Investoren, Geschäftspartner und Kunden sehen, dass die Geschäftsleitung in der Lage ist, auf Krisen professionell zu reagieren und gemeinsam mit Gläubigern und Beratern tragfähige Lösungen zu entwickeln.

4. Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz eines Insolvenzplans

Nicht jedes Unternehmen eignet sich für eine Sanierung auf Grundlage eines Insolvenzplans. Erforderlich ist zunächst ein grundsätzlich sanierungsfähiges Geschäftsmodell.

Der Insolvenzplan bietet sich insbesondere in folgenden Konstellationen an:

  • Das Unternehmen ist überschuldet oder zahlungsunfähig, verfügt jedoch über ein funktionierendes operatives Geschäft.
  • Die Gläubigerstruktur ist überschaubar und grundsätzlich verhandlungsbereit.
  • Es bestehen Ansätze für einen strukturellen Wandel – etwa in der Kostenstruktur, im Produktportfolio oder im Vertriebsmodell.
  • Die Unternehmensleitung ist bereit, Veränderungsprozesse aktiv zu gestalten und offen zu kommunizieren.

Die erfolgreiche Umsetzung eines Insolvenzplans setzt juristische Präzision, betriebswirtschaftliches Verständnis und Verhandlungsgeschick voraus.

5. Fazit

Das Insolvenzplanverfahren ist mehr als nur ein rechtliches Instrument zur Schuldenregulierung – es ist ein strukturierter Sanierungsweg mit unternehmerischer Perspektive.

Durch die Verbindung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit betriebswirtschaftlicher Erneuerung bietet der Insolvenzplan Unternehmen in der Krise einen echten Neustart: Die Liquiditätslage wird stabilisiert, das Vertrauen der Gläubiger gestärkt und die Grundlage für eine zukunftsfähige Unternehmensentwicklung gelegt.

Gleichzeitig wird der Entscheidungsspielraum des Schuldners erhalten – das Unternehmen bleibt in der Regel unter der Leitung der bisherigen Geschäftsführung („Eigenverwaltung“), wodurch wertvolle operative und strategische Kompetenzen im Unternehmen verbleiben.

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Autoren dieses Beitrags:

Sebastian Kölln
Jens M. Wellbrock

Sebastian Kölln
Partner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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