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Oktober 2024

Vermögensabfluss in Kaufverträgen

Bei dem Kauf eines Unternehmens oder eines Geschäftsanteils stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für die wirtschaftliche Bewertung des Zielunternehmens und damit für die Kaufpreisermittlung maßgeblich sein soll. Entscheiden sich die Parteien für einen festen Kaufpreis (sog. Locked Box-Prinzip) erfolgt die Bewertung und damit die Höhe des Kaufpreises regelmäßig aufgrund des Stichtags des letzten Jahresabschlusses der Zielgesellschaft (sog. Bilanzstichtag). Dieser Bilanzstichtag liegt vor dem Kaufvertragsabschluss (dem sog. Signing) und dem nachgelagerten Vollzugstag (dem sog. Closing), und kann mit dem Tag des Überganges von Nutzen und Lasten (sog. Übertragungsstichtag) zusammenfallen, also dem Tag, an dem der wirtschaftliche Übergang der Aktien oder Geschäftsanteile an den Käufer erfolgt. Vermögensabflüsse, die in dem Zeitraum zwischen Übertragungsstichtag und Vollzugstag liegen, sind somit nicht in dem relevanten Jahresabschluss enthalten und fließen daher auch nicht in die Berechnung des Kaufpreises ein. Um den Käufer vor unbekannten Vermögensabschlüssen zu schützen, sind genaue Regelungen im Kaufvertrag (sog. SPA) zu vereinbaren, wie mit Vermögensabflüssen umzugehen ist.

1. Vermögensabfluss

Der Begriff des Vermögensabflusses (Leakage) meint nicht jeden Abschluss von Vermögen, z.B. im Rahmen des Ausgleichs von Rechnungen, sondern lediglich den Abschluss von Vermögen an die Verkäufer. Um ein hohes Schutzniveau zu erreichen ist dieser sehr weit gefasst. So zählen hierzu nicht nur Gewinnentnahmen und (Lohn-) Zahlungen an den Verkäufer-Geschäftsführer, sondern auch die Gewährungen von Darlehen sowie jegliche Übertragung eines Vermögensgegenstands, Rechts, Wertes oder Vorteils zugunsten des Verkäufers oder einer ihm nahestehenden Person.

2. Umgang mit Vermögensabflüssen

Für den Umgang mit Vermögensabflüssen gibt es in der Praxis zwei hauptsächliche Möglichkeiten. Zum einen können Vermögensabflüsse mit dem sogenannten Closing Accounts-Prinzip fast vollständig vermieden werden. Hierbei wird, anders als beim Locked Box-Prinzip, neben der Bilanz zum Bilanzstichtag zur Ermittlung des Unternehmenswertes (sog. enterprise value) zum Zeitpunkt des Vollzugs des Kaufvertrags eine Zwischenbilanz aufgestellt und auf deren Grundlage der endgültige Kaufpreis errechnet. Dabei werden die im SPA zum Zeitpunkt des Closing bestehenden Abzugspostionen der Passivseite und der Hinzurechnungspositionen der Aktiva bei der Ermittlung des Eigenkaputalwertes (sog. equity value) vom enterprise value abgezogen bzw. hinzugerechnet. Negative Wertveränderungen der Zielgesellschaft trägt bis zum Vollzugstag daher der Verkäufer. Diese Methode hat jedoch den Nachteil, dass der Verkäufer erst sehr spät die finale Höhe des Kaufpreises erfährt, sie aufwendig und kostenintensiv ist. Beim Locked Box-Prinzip dagegen trägt der Käufer das Risiko einer negativen Wertveränderung des Zielunternehmens ab dem Übertragungsstichtag, da sich der Kaufpreis aufgrund des Jahresabschlusses zu diesem Tag errechnet. Um den Käufer dennoch möglichst umfangreich zu schützen, werden dem Zielunternehmen vertraglich alle Vermögensabflüsse an den Verkäufer ab dem Übertragungsstichtag verboten. Dennoch erforderliche Vermögensabflüsse müssen ausdrücklich erlaubt bzw. durch den Käufer genehmigt werden. Das Zielunternehmen wird sinnbildlich eingeschlossen („locked box“), sodass jegliche Vermögensabflüsse nach dem Übertragungsstichtag von den Käufern kontrolliert werden können.

3. Gestaltung von „locked box Regelungen“

Für die Beratung von Unternehmenskäufen bzw. -verkäufen ist es essenziell, die Regelungen zum Vermögensabfluss ausreichend konkret zu gestalten. So muss in den SPA aufgenommen werden, dass jegliche (offene und verdeckte) Vermögensabflüsse verboten sind. Dabei ist der Begriff des Vermögensabflusses genau zu definieren. Außerdem ist die Rechtsfolge für einen Verstoß gegen die Leakage-Regelungen zu vereinbaren. Üblicherweise wird vereinbart, dass der Verkäufer sich verpflichtet, dem Käufer den Vermögensabfluss unverzüglich Euro für Euro zu erstatten. Ein verbotener Vermögensabfluss sollte daher um jeden Preis vermieden werden.

4. Erstellen der Anlage

Weil nicht jeder Vermögensabfluss einen wirtschaftlichen Nachteil für das Zielunternehmen darstellt, sondern es in den meisten Fällen eine Gegenleistung erhält (z.B. Geschäftsführertätigkeiten der Verkäufer-Geschäftsführers) sind in einer Anlage zum Kaufvertrag alle erlaubten Vermögensabflüsse aufzulisten. Also alle Vermögensabflüsse, die der Käufer dem Verkäufer nicht ersetzen muss.

Auf Verkäuferseite ist darauf zu achten, dass alle Vermögensabflüsse in der Anlage aufgenommen sind, da alle nicht in der Anlage aufgenommenen Vermögensabflüsse vom Verkäufer in voller Höhe ersetzt werden müssen.

Auf Käuferseite ist darauf zu achten, dass nur die vereinbarten Vermögensabflüsse in der Anlage aufgenommen sind. Sind noch weitere Vermögensabflüsse in der Anlage enthalten, kann dies zu einer nicht unerheblichen negativen Abweichung im Gesellschaftsvermögen zwischen dem Übertragungsstichtag und dem Vollzug führen, die letztlich der Käufer zu tragen hat.

5. Fazit

Der Umgang mit Vermögensabflüssen nach dem Übertragungsstichtag ist in der Praxis ein sehr relevantes Thema, wenn es um Unternehmenskäufe geht. Den Beratern kommt hierbei eine besonders wichtige Rolle zu, da sie für die Erstellung und Formulierung von Klauseln im Kaufvertrag, sowie der entsprechenden Anlage verantwortlich sind. Dabei ist vor allem darauf zu achten, den Begriff des Vermögensabflusses genau und breit zu definieren. Außerdem muss die Anlage mit größter Sorgfalt erstellt werden, damit das Risiko der negativen Rechtsfolgen von verbotenen Vermögensabflüssen so gering wie möglich gehalten wird. Nur durch eine präzise und sorgfältige Arbeit können Berater die Mandanten bestmöglich unterstützen. Wenn Sie hierbei Hilfe benötigen, unterstützen wir Sie gerne.

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Autor dieses Beitrags:

Jan Benjamin Willers
Rechtsanwalt in Anstellung

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