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November 2024

Zusammenspiel positive Fortführungsprognose & Überschuldungsbilanz

In der aktuellen wirtschaftlichen Lage spielen die Themen der positiven Fortführungsprognose und der Überschuldungsbilanz eine zentrale Rolle im Insolvenzrecht. Seit dem 1. Januar 2024 gelten wieder die Regelungen, wie sie vor der Pandemie festgelegt wurden, was besonders Unternehmen betrifft, die in der Niedrigzinsphase auf Kredite gesetzt haben. Dieser Beitrag erklärt, wie die insolvenzrechtliche Überschuldung geprüft wird, insbesondere anhand einer positiven Fortführungsprognose und der Erstellung einer Überschuldungsbilanz. Dabei wird auf die wesentlichen Kriterien und Wechselwirkungen eingegangen, um Unternehmen in der Krise handlungsfähig zu halten. Der Beitrag bietet zudem praktische Tipps, um eine realistische Liquiditätsplanung zu erstellen und die Insolvenzgefahr zu erkennen.

1. Die Bedeutung der insolvenzrechtlichen Überschuldung

Die insolvenzrechtliche Überschuldung ist ein viel diskutiertes Thema. Während der Pandemie gab es Sonderregelungen, die inzwischen ausgelaufen sind. Seit dem 1. Januar 2024 gilt wieder die reguläre Fassung des § 19 InsO. Unternehmen, die in der Niedrigzinsphase vermehrt Kredite aufgenommen haben, sehen sich jetzt aufgrund höherer Zinsen und schwächerer Märkte mit Überschuldungsrisiken konfrontiert.

2. Die Prüfung der Überschuldung

Für die Beurteilung, ob eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, sind zwei zentrale Faktoren maßgeblich: die positive Fortführungsprognose und die Überschuldungsbilanz. Dabei ist es wichtig, sowohl die gegenwärtige Liquidität als auch die langfristige Entwicklung des Unternehmens zu bewerten.

3. Die positive Fortführungsprognose im Detail

Die Überschuldung liegt dann nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens für die nächsten 12 Monate überwiegend wahrscheinlich ist. Entscheidend ist dabei nicht der Ertrag, sondern die Liquidität. Unternehmen müssen mittels einer Liquiditätsplanung nachweisen, dass sie innerhalb eines Jahres keine Zahlungsunfähigkeit erreichen. Der Zeithorizont beträgt hier mindestens 12 Monate, in denen der Geschäftsbetrieb „durchfinanziert“ sein muss.

Unternehmen können sich in schwierigen Zeiten an den Vorjahresumsätzen orientieren und realistische Anpassungen vornehmen. Notwendige Sanierungsmaßnahmen müssen berücksichtigt und realisierbar sein. Alternativszenarien, wie “best case” und “worst case”, sollten erstellt werden, um eine fundierte Prognose zu ermöglichen.

4. Die Bedeutung der Überschuldungsbilanz

In der Überschuldungsbilanz werden alle Aktiva und Passiva des Unternehmens gegenübergestellt. Anders als bei der Zahlungsunfähigkeitsprüfung sind hierbei auch nicht fällige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Auf der Aktivseite werden Liquidationswerte angesetzt, die realistisch und nicht zu optimistisch kalkuliert sein sollten, insbesondere bei Langläufern wie Forderungen oder Lagerbeständen.

Wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten übersteigt, liegt trotz negativer Fortführungsprognose keine Überschuldung vor. Übersteigen jedoch die Verbindlichkeiten das Vermögen, besteht Insolvenzantragspflicht.

5. Der qualifizierte Rangrücktritt als Lösungsmöglichkeit

Eine wichtige Möglichkeit, um die insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden, besteht im qualifizierten Rangrücktritt. Beim qualifizierten Rangrücktritt erklärt der Gläubiger, dass seine Forderung hinter alle anderen Gläubigerforderungen zurücktritt und erst nachrangig bedient wird, und zwar erst, wenn das Unternehmen wieder in der Lage ist, diese zu begleichen, ohne dass eine Insolvenz ausgelöst wird. Durch diese Vereinbarung wird die entsprechende Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz nicht mehr als passiv berücksichtigt, da sie im Falle einer Liquidation nicht zur sofortigen Fälligkeit führt.

Dies kann insbesondere in Krisenzeiten für Unternehmen hilfreich sein, um die rechnerische Überschuldung zu vermeiden und zusätzliche Zeit für Sanierungsmaßnahmen zu gewinnen. Allerdings ist dabei Vorsicht geboten: Der Rangrücktritt muss qualifiziert sein, d.h., es muss klar formuliert sein, dass die Rückzahlung nur erfolgen kann, wenn dadurch keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung entsteht. Nicht qualifizierte Rangrücktrittserklärungen erfüllen diese Anforderungen nicht und können somit nicht zur Vermeidung der Überschuldung herangezogen werden.

6. Wechselwirkungen zwischen Fortführungsprognose und Überschuldungsbilanz

Obwohl beide Prüfungen separat erfolgen, besteht zwischen der Fortführungsprognose und der Überschuldungsbilanz eine Wechselwirkung. Je höher die rechnerische Überschuldung, desto unwahrscheinlicher ist eine positive Fortführungsprognose. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die rechnerische Überschuldung bei der Beurteilung immer zu berücksichtigen.

7. Rechtliche Konsequenzen bei Überschuldung

Die Antragspflicht bei insolvenzrechtlicher Überschuldung beginnt nach sechs Wochen ab Eintritt der Überschuldung. Ab diesem Zeitpunkt haften Geschäftsführer zivilrechtlich für das verspätete Stellen eines Insolvenzantrags. Die Frist beträgt bei Zahlungsunfähigkeit hingegen nur drei Wochen.

8. Praxisnahe Tipps für Unternehmen in der Krise

Unternehmen sollten in der Krise eine wöchentliche Liquiditätsplanung für mindestens 12 Monate aufstellen und fortlaufend aktualisieren. Eine positive Fortführungsprognose besteht nur, wenn in diesem Zeitraum keine Zahlungsunfähigkeit eintritt. Auch wenn keine rechnerische Überschuldung vorliegt, gibt diese jedoch einen Hinweis auf die Fortführungswahrscheinlichkeit des Unternehmens.

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Autor dieses Beitrags:

Sebastian Kölln
Partner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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